Als Mitglied im Unternehmensnetzwerk Erfolgsfaktor Familie war ich im Mai in Berlin beim 8. Unternehmenstag zum Thema „Neue Vereinbarkeit“. Das Credo war: wir brauchen Möglichkeiten zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Nun ja.
Die Veranstaltung fand in der European School of Management and Technology, die im ehemaligen Staatsratsgebäude des Staatsrates der DDR sitzt. Ein Gebäude mit irrsinniger Innenarchitektur aus den 60er Jahren. (Palast der Republik, seufz.)
Es sprach unter Anderen die Familienministerin Manuela Schwesig (man beachte die Lampen!)
Was ich am Ende am interessantesten fand, war der Auftritt der Missy Magazine – Herausgeberin Stephanie Lohaus.
Im Grunde nichts aufregendes – sie hat ihr Buch „Papa kann auch stillen“ vorgestellt, in dem es grob gesagt darum geht, dass sie und ihr Lebensgefährte sich die Arbeit- und Kinderzeit 50/50 teilen. Ein Zitat daraus: „Es gibt in unserer Gesellschaft ein seltsames Missverhältnis zwischen dem Wunsch nach einer gleichberechtigten Beziehung und dessen Umsetzung. Zumindest, sobald Kinder im Spiel sind.“ Und dann nannte sie eine Zahl: vier Prozent. 4% der Paare arbeiten Teilzeit und teilen sich auch die Haus- und Familienarbeit durch zwei.
Die Zahl hat mich erstmal geschockt, allein deshalb, weil es meiner (nicht repräsentativen) Beobachtung meines (ostdeutschen) Umfelds und der Familien meiner Freunde und Bekannten widerspricht. Dort sind es beinahe 100 Prozent der Paare, die sich die zu Hause anfallende Arbeit teilen und nicht voll arbeiten (oder zumindest nicht tagsüber – die restlichen Stunden werden oft noch abends nachgeholt). Das liegt womöglich auch in der Struktur meines Umfelds. Ich kenne vornehmlich Selbständige, Kulturarbeiter_innen, einen Lehrer, Online-Marketing-Experten. Keine Banker oder Ingenieure mit 60 Stunden pro Woche – Jobs.
Das bedeutet auch, dass die Einkommen in den Partnerschaften nicht so weit auseinandergehen, dass es einen finanziellen Vorteil bedeuten würde, wenn eine Person die Arbeitszeit reduziert und sich dafür noch um Kind(er) und Haushalt kümmert. Der Gender Pay Gap, die Einkommenslücke zwischen dem Verdienst von Männern gegenüber dem der Frauen, ist also nicht groß oder er existiert erst gar nicht.
Letztendlich soll jede_r wie sie/er will, es sollte aber die Möglichkeit geben, sich zu entscheiden – für die Reduzierung der Arbeitszeit zum Beispiel. Mit weniger Arbeit steigt also die Familienzeit und es sinkt das Einkommen, also haben Entscheidungen hier mit der Frage nach dem guten Leben zu tun und damit mit Werten. Also: Geld oder Liebe?