Was ist der konsequenteste Weg, wenn es um eine Entscheidungsfindung geht? Das Erproben der möglichen Optionen. Auf die Suche nach dem Traumjob würde es heißen, dass man Jobs ausprobiert. Das geht nicht?

Jannike Stöhr hat es getan! Die 30jährige war mit ihrer Arbeit nicht mehr zufrieden, wusste aber nicht wirklich, was sie stattdessen machen sollte. Sie legte ihre Anstellung auf Eis, probierte Neues aus und schrieb darüber auf ihrem Blog „30 Jobs in einem Jahr“. In der Zeit konnte sie sich als Mitarbeiterin eines Freizeitparks, Tischlerin, Videoproduzentin oder Hebamme ausprobieren, ganz neue Betätigungsfelder für die Personalerin.

Anfang 2015 Jahres war Jannike für die Nr. 17 auf Ihrer Liste eine Woche in der Pathologieabteilung der Uniklinik Leipzig. Was für ein Zufall, dachte ich, vielleicht können wir uns treffen und uns über ihr Experiment unterhalten. Jannike fand die Idee auch gut und so verbrachten wir einen Abend mit reden und Wein trinken. Sie erzählte mir davon, wie es on the road so ist, dass sie zu ihrem Projekt viel positives Feedback bekommt, ihre Zeitarbeitgeber super sind, die Jobs interessant und das Couchsurfen die günstigste Art und Weise zu übernachten ist und gleichzeitig Freude am Familienanschluss voraussetzt.

Ich habe Jannike per Mail darum gebeten, ein paar Fragen zu ihrem Projekt zu beantworten. Zu der Zeit war sie gerade zwischen Wien und Brüssel unterwegs, als Praktikantin eines EU-Abgeordneten.

Jannike, wie war das, Dich im Laufe des Jahres 30 mal auf was Neues eingelassen zu haben?

JS: Jedes Mal wieder aufregend und anstrengend. Mit der Zeit fiel es mir immer schwerer, mich voll einzulassen. Ich wusste ja, dass ich ein paar Tage später schon wieder weiter ziehen würde und die Menschen hinter mir lassen würde. Ich habe so viele tolle Menschen getroffen, dass die Abschiede teilweise schon sehr traurig waren, selbst nach einer Woche. Mit der Zeit wurde das dann aber wieder einfacher.

Was sind Deine Tipps für einen Neuanfang?

JS: Bei meinem Neuanfang war es sehr hilfreich, mich von meinen Gedankenmustern zu lösen, um nicht wieder in die gleichen Verhaltensweisen zu fallen. Je mehr neue Erfahrungen ich machen konnte, desto freier wurde ich. Außerdem hat es mir geholfen, mich von viel Materiellem zu trennen. Das hat mich ebenfalls sehr befreit.

Hast Du Deinen Traumjob gefunden?

JS: Nein, meinen Traumjob habe ich nicht gefunden. Dafür habe ich aber herausgefunden, was ich kann, was mir Spaß macht und was mir wichtig ist. Und aus diesen Aspekten ergeben sich mehrere Jobs, die Traumjobpotential haben. Ich würde also nach meiner Suche sagen, dass es für mich nicht den einen Traumjob gibt, sondern mehrere Optionen.

Welche Faktoren müssen stimmen, damit Du Dich mit einer Arbeit wohl fühlst?

JS: Ich habe mich während meines Jahres immer ganz besonders dort wohl gefühlt, wo die Menschen und die Firma authentisch waren, also man offen miteinander umgegangen ist und das getan wurde, was gesagt wurde. Man merkt es sofort, wenn Unternehmenswerte gelebt werden, also echt sind, anstatt nur auf dem Papier vorhanden zu sein. Einen gewissen Gestaltungsspielraum zu haben, hat mir auch sehr gut gefallen. Dazu ist Vertrauen notwendig, wenn man aber wiederum ehrlich und offen miteinander umgeht, dann kommt das von allein.

Was würdest Du Menschen raten, die mit dem Gedanken spielen, ihren Job zu wechseln?

JS: Für mich hat es sich immer als richtig erwiesen, auf mein Gefühl zu hören. Wenn man das Gefühl hat, dass man fehl am Platz ist, dann ist da aus meiner Erfahrung auch etwas dran. Und ich habe noch keinen Menschen getroffen, der seinen Neuanfang, seinen Jobwechsel, bereut hat. Probieren geht über studieren, sagt man ja und da kann man auch schon im Kleinen anfangen. Ob man in seiner Freizeit ein zweites Standbein aufbaut, das man immer mehr ausweitet, ob man in Teilzeit arbeitet, um sich in der restlichen Zeit einem anderen Job zu widmen oder kündigt und einen Neuanfang wagt, das ist egal. Möglichkeiten gibt es viele, aber auf jeden Fall sollte man etwas tun, anstatt immer nur zu grübeln, wie ich es lange gemacht habe.
Jannike hat über ihre Suche nach der perfekten Arbeit ein Buch geschrieben, das im Februar erscheint: Das Traumjob-Experiment: 30 Jobs in einem Jahr

Übrigens: für alle, die kein Jahr zum Aussteigen haben, gibt es Descape, eine Plattform, durch die man in andere Jobs reinschnuppern kann.

Weiterlesen:

Einen Versuch, den Traumjob zu finden, beschreibt auch das Buch von Kasey Edwards: Sinnlos über 30: Wie ich mir den Sinn des Lebens zurückholte (Der englische Originaltitel fasst das Dilemma des Jobfrustes ein besser ein: 30-Something and Over It: What Happens When You Wake Up and Don’t Want to Go to Work . . . Ever Again). Das Gefühl, nicht zur Arbeit gehen zu wollen, dürfte einigen Menschen bekannt vorkommen). Edwards nimmt sich 12 Monate Zeit, redet mit Experten, liest Bücher und probiert aus. Sehr unterhaltsam, schlau und kurzweilig.

 


 

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Hier bloggt Magdalena Kaminska von Kaminska Coaching zur beruflichen Neuorientierung, Wiedereinstieg in den Job und Selbst- und Zeitmanagement. Zu gleichen Themen coache ich in meiner Praxis in Leipzig oder online

 

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