Ich hadere mit Scheitern. Weniger mir der Tatsache als mit dem Wort. Es begegnet mir oft in der Zeitung, in der Fachliteratur und zunehmend mehr auch in Coachings. „Scheitern“ wird für Umstände verwendet, die ich einfach für Fehlentscheidungen oder unglückliche Umstände halte. 

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Scheitern erinnert mich aber an Scheiterhaufen, eine, salopp gesagt, unangenehme Geschichte. Die Recherche der Wortherkunft sagt, dass ich nicht ganz falsch liege: scheitern kommt von „zu scheitern werden“, in Stücke brechen und das bezogen auf gestrandete, zerschellte Schiffe.

Jetzt mal ganz ehrlich: wie oft macht man etwas, das dieser Bedeutung, diesem starken Bild entspricht? Ein Schiff, das krachen gegangen ist, es sind nur noch Stücke übrig, alles ist verloren. 

Im Coaching geht es selten um Seefahrt (was ich, als Seemannstochter, gelegentlich bedauere). Es geht um Menschen, bei den es, sagen wir, beruflich nicht ganz so läuft, wie sie es sich vorgestellt haben. 

Mein Job ist nicht der, für den ich ihn gehalten habe, ich komme nicht klar damit also bin ich gescheitert. Meine Arbeit fordert mir so viel ab, dass ich es einfach nicht schaffen kann, ich bin überfordert, ich werde krank also – bin ich gescheitert?

„Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, in der Menschen an ihren Erfolgen gemessen und für ihre Niederlagen verurteilt werden. In kaum einem anderen Land der Welt werden Misserfolge so sehr geächtet wie hier.“ 

Und das ist vor allem eines – unglaublich belastend.

Wie kann es sein, dass man sich keinen Entscheidung leisten darf, ohne eine furchtbare Angst davor zu haben, dass sie „falsch“ sein könnte? Woher soll man wissen, wie etwas laufen wird, ohne zuallererst die Erfahrung gemacht zu haben? Das Fatale bei dem Konzept des Scheiterns ist zudem, dass es gefühlt gleich um die ganze Person geht. Ich bin gescheitert statt es ist einfach schlecht gelaufen. Es ist mir nicht gelungen. Ich habe mich überfordert. 

Scheitern ist mir einfach zu allumfassend. Ja, ich glaube, dass es das wirklich gibt, den Zustand, in dem man auf null gesetzt ist, in dem scheinbar gar nichts mehr geht. Solange man aber die Motivation hat, mit jemandem zu sprechen darüber, was in der Zukunft passieren soll, was man anders machen möchte, ist man nicht gescheitert. Wenn man die Kraft und die Unterstützung hat, zu überlegen, wie man weitermachen möchte, ist noch alles gut.

Das Leben hat halt manchmal Schluckauf. 

„Manchmal muss man vielleicht erst auf die Nase fallen, um zu erkennen, dass man nicht das tut, was man gut kann, oder nicht das Leben führt, das zu einem passt.“ 

Und wenn es passiert ist?

  • sich daran erinnern, dass ein Fehlschlag den Menschen nicht zu einer totalen Null macht, noch radiert er alles aus, was man davor geschaffen hat
  • sich sprachlich lieb haben – ich habe einen Fehler gemacht statt ich bin gescheitert
  • es das nächste Mal besser machen, denn – ja: „Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better.“ Danke, Samuel Beckett
  • das Ganze „Design Thinking“ – mäßig sehen. Wenn sich etwas, `tschuldigung, scheiße anfühlt, ist es sehr wahrscheinlich auch wirklich nicht gut. Im Design Thinking schafft man Prototypen, die man sofort ausprobiert. Wenn sie nicht funktionieren, werden sie wieder geändert. Das heiß Iteration – wieso sowas nicht mit der eigenen Karriere machen?

Zum Ende noch Simone Giertz, deren Arbeit aus geplantem Scheitern besteht – sie baut Shitty Robots: 


IMG_3930Hier bloggt Magdalena Kaminska von Kaminska Coaching zur beruflichen Neuorientierung, Wiedereinstieg in den Job und Selbst- und Zeitmanagement. Zu gleichen Themen coache ich in meiner Praxis in Leipzig oder online.
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